Renaturierung der Pegnitz (Stadt am Fluss)

Die Umgestaltung der Pegnitz in Nürnberg

Nach knapp dreijähriger Bauzeit wurden die Bauarbeiten an der Pegnitz im westlichen Stadtbereich von Nürnberg abgeschlossen. Anlässlich der Abschlussfeier am 12. Oktober 2001 bezeichnete Umweltminister Dr. Werner Schnappauf die Maßnahme als herausragendes Verbundprojekt zwischen Wasserwirtschaft, Naturschutz und Stadtentwicklung. Über die Hintergründe und die Abwicklung des Projektes informiert der nachfolgende Bericht.

Situation

Die Pegnitz durchzieht Nürnberg auf eine Länge von ca. 14 km. Sie ist als Gewässer I. Ordnung eingestuft, ihr Einzugsgebiet beträgt am Pegel Lederersteg in Nürnberg rund 1200 km2. Der Mittelwasserabfluss liegt bei rund 12 m3/s.

Die Stadtentwicklung war von je her eng mit der Pegnitz verknüpft. Die Stadtgeschichte berichtet von zahlreichen Überflutungen der Stadt und ihren teilweise verheerenden Wirkungen. Das mit Abstand größte Hochwasserereignis wurde im Februar 1909 gemessen, das mit einem Abfluss von 370 m3/s in die Geschichte einging.

Dieses Hochwasserereignis war Auslöser für umfangreiche Hochwasserschutzmaßnahmen in der Stadt. Im Westen der Altstadt wurde der Flusslauf eingetieft, begradigt und massiv befestigt. Parallel dazu wurden die Talräume auf weite Strecken aufgefüllt, um Flächen für die Stadtentwicklung zu gewinnen.

Die Lauflänge der Pegnitz verkürzte sich um rund 4 km, der Talaue ging eine Retentionsfläche von
rund 100 ha verloren, die Gewässerufer wurden massiv befestigt.

Gründe für die Umgestaltung

Neben dem wasserwirtschaftlichen Ansatz gab es noch eine Reihe anderer Überlegungen, Gewässer und Talraum der Pegnitz neu zu gestalten.

Zunächst galt es, den sanierungsbedürftigen Uferverbau durch geeignete Maßnahmen zu ersetzen, um insbesondere angrenzende Gebäude und Verkehrsanlagen nach wie vor zu schützen. Parallel dazu bestand das Ziel, den begradigten, monotonen Flusslauf aus gewässerökologischer Sicht aufzuwerten und strukturreicher zu gestalten.

Aus Sicht des Naturschutzes und der Landschaftspflege stellt sich der Talraum monoton dar. In enger Verzahnung mit einer Umgestaltung des Gewässers sollte deshalb die Talaue zu einer erlebnisreicheren und attraktiveren Grünfläche in der Stadt entwickelt werden.

Aus Sicht der Stadtplanung bestand der Wunsch, attraktivere, stadtnahe Erholungsflächen anzulegen und durchgängige Geh- und Radwegverbindungen im Talraum zu schaffen. Aufgrund der Lage inmitten der Großstadt war klar, dass die Interessen der Bürger und Anlieger bei allen Planungsüberlegungen berücksichtigt werden sollten.

Neben den bekannten Zielen einer naturnahen Entwicklung und Gestaltung traten die berechtigten Wünsche der Bürger in den Vordergrund.

Entwicklungskonzept

Die Umgestaltung einer Gewässerlandschaft in einer Großstadt berührt erwartungsgemäß eine Vielzahl unterschiedlicher Interessen und steht im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Vor der Bearbeitung eines ersten Bauabschnittes hatten wir uns deshalb für die Erstellung eines Entwicklungskonzeptes entschlossen, das neben einer ausführlichen Bestandsaufnahme insbesondere die Abstimmung der unterschiedlichen Zielvorstellungen zum Inhalt hatte.

Damit konnten wir für alle Beteiligten eine gemeinsame Basis für zukünftige Planungen schaffen. Das Entwicklungskonzept betrachtet Gewässer und Talraum der Pegnitz im gesamten Stadtbereich auf eine Länge von 14 km und wurde gemeinsam mit einem Büro für Landschaftsplanung bearbeitet.

Auf Grundlage des Entwicklungskonzeptes ergab sich für den Planungsabschnitt folgende Zonierung:

  • ein intensiv genutzter Talraum angrenzend an die Altstadt
  • ein Übergangsbereich, der zumindest im gewässernahen Umfeld genügend Raum für Gestaltungsmaßnahmen am Gewässer zulässt und
  • ein extensiv genutzter Talraum zum Stadtrand hin, der eine naturnähere Umgestaltung von Gewässer und Talraum ermöglicht.

Planung des ersten Bauabschnittes

Der erste Bauabschnitt umfasste eine Länge von ca. 3,5 km im westlichen Stadtbereich. Aufgrund der engen Verzahnung von Gewässer und Talraum war nur eine ganzheitliche Betrachtung sinnvoll. Konsequenterweise wurden deshalb alle Planungen der Stadt im Bereich des Talraumes in den Entwurf der Wasserwirtschaft integriert.

Die Entwurfsplanung lag federführend beim WWA. Nach Herstellung digitaler Kartengrundlagen erfolgte die weitere Planbearbeitung auf digitaler Basis (Auto-CAD).

Folgende Schwerpunkte betrafen primär die Wasserwirtschaft:

  • ein neuer Gewässerlauf mit Mäandern und Flussschlingen
  • strukturierte und naturnah angelegte Uferbereiche mit Rückbau der massiven Uferbefestigungen
  • umfangreicher Geländeabtrag in den Uferbereichen, um Zugänge zur Pegnitz zu schaffen und Wasser wieder "erleben" zu können und
  • Anlage zeitweise durchströmter Altwasserbereiche.

Im Talraum waren es die Interessen der Stadt und Ihrer Bürger, die bei der Umsetzung im Vordergrund standen:

  • Entwicklung des Talraumes zu einer erlebnisreichen und damit attraktiven stadtnahen Erholungsfläche
  • Gestaltung eines naturnahen Erlebnisraumes für Kinder
  • Anlage neuer Sport- und Spielflächen im Talraum
  • Bau von durchgehenden Geh- und Radwegen im Talraum mit zwei neuen Brücken
  • Gestaltung eines "Kommunikationsbereiches" und
  • Berücksichtigung kulturhistorischer Aspekte durch den Einbau eines alten Wasserschöpfrades.

Für den neuen Gewässerlauf lieferten alte Karten eine gute Grundlage, um Krümmungsradien nachzubilden. Je nach Lage der angrenzenden Bebauung wird auch zukünftig eine punktuelle Sicherung der Pralluferbereiche notwendig.

Völlig umgestaltet wurde der Gewässerquerschnitt. Die zukünftig wesentlich flacheren Uferbereiche bieten Raum für eine abgestufte Bepflanzung und werden sich zu einem extensiv genutzten Uferstreifen entwickeln.

Bei der Gestaltung des Talraumes war das Spektrum der Vorstellungen sehr breit. Die Ideen gingen von einer völlig naturbelassenen Flussaue bis hin zu einem intensiv genutzt Freizeitpark. Durchgesetzt hat sich letztlich der Gedanke eines behutsam gestalteten Talraumes, der an einigen Stellen eine intensivere, aber noch wasserwirtschaftlich verträgliche Nutzung zulässt.

Hochwasserschutz

Das Ziel einer natürlichen Gewässerentwicklung musste gerade im städtischen Raum die Ansprüche an den Hochwasserschutz im Auge behalten. Alle Veränderungen am Gewässer und dem Talraum wurden deshalb von vornherein unter dem Blickwinkel des Hochwasserschutzes betrachtet. Die Geländemodellierung und –gestaltung im Talraum darf nicht zu einer Erhöhung der Wasserspiegellagen bei Hochwasser führen. Als zukünftig stärkerer Abflusswiderstand waren jedoch die breiteren, bepflanzten Uferzonen zu berücksichtigen.

Großer Wert wurde deshalb auf eine Berechnung der Wasserspiegellagen für den bisherigen und künftigen Zustand gelegt. Aufgrund des gestreckten Talraumes wurde eine eindimensionale Berechnung mit dem Programm WSP Win durchgeführt. Der jetzige Zustand konnte anhand von Wasserspiegelfixierungen abgelaufener Hochwässer relativ gut geeicht werden.

Für den künftigen Zustand wurden in iterativen Schritten die zusätzliche Bepflanzung und etwaige Veränderungen im Talraum in den Querschnitten berücksichtigt. In den neuen Berechnungsquerschnitten bleiben die bepflanzten Uferzonen als abflusslose Bereiche außer Ansatz; durch entsprechenden Vorlandabtrag erfolgt im Gegenzug der notwendige Ausgleich im Fließquerschnitt.

Im Ergebnis wurde damit erreicht, dass sich die Wasserspiegellagen bei Hochwasser auch künftig nicht erhöhen und damit der bestehende Hochwasserschutz uneingeschränkt erhalten bleibt.

Öffentlichkeitsarbeit

Baumaßnahmen im städtischen Bereich stehen gegenüber Planungen in der freien Landschaft wesentlich stärker im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Eine frühzeitige Information und Aufklärung war deshalb oberstes Gebot. Neben der üblichen Information in den Medien kam insbesondere ein intensiver Kooperationsprozess mit allen betroffenen Anliegern vor Ort zustande. Unter dem Motto "Mitreden-Mitplanen-Mitgestalten" wurden Planungsziele gemeinsam erarbeitet. Mit zahlreichen Gesprächen bei Bürgervereinen und Stadtteilarbeitskreisen gelang es, eine Vertrauensbasis herzustellen. Interessierte Bürger wurden nicht nur angehört, sondern durch konstruktive Mitarbeit in das Projekt eingebunden.

Rückblickend betrachtet hat sich der zeitintensive Diskussionsprozess gelohnt; die Akzeptanz der Maßnahme in der Öffentlichkeit ist hoch.

Zeitliche Umsetzung

Um das Engagement und den Schwung bei allen Beteiligten zu erhalten, wurden die einzelnen Planungsphasen zügig durchgeführt und abgeschlossen. Zunächst bestand in der Bevölkerung Skepsis, ob aus dem "Planspiel" auch wirklich Realität wird. Zu häufig hatten sich in der Vergangenheit Planungen als Luftblasen herausgestellt. Um so wichtiger erschien es deshalb, zeitnah Erfolge sichtbar werden zu lassen.

Die Phase Entwicklungskonzept begann Mitte 1996 und war ein Jahr später abgeschlossen. Die Entwurfsplanung für den ersten Bauabschnitt mit einer Länge von ca. 3,5 km setzte sich nahtlos fort. Bereits Mitte 1998 lagen alle Voraussetzungen für einen Baubeginn vor:

ein bestandskräftiger Plangenehmigungsbescheid, eine unterzeichnete Bauvereinbarung mit der Stadt Nürnberg und eine gesicherte Finanzierung.

Nach dreijähriger Bauzeit sind die Pegnitz und ihr Talraum auf eine Länge von ca. 3,5 km neu gestaltet. Der Gewässerlauf ist bereits unmittelbar nach Bauende zu einem Anziehungspunkt für die Anlieger geworden. Völlig gewandelt hat sich auch der Talraum; aus einer monotonen Grünfläche entstand in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung ein naturnaher Erlebnisraum am Wasser.

Ein zusätzliches Erlebnis bieten die Arbeiten mehrerer Künstler, die sich zu einem "Skulpturenufer Pegnitz" inspirieren ließen. Durch die Auseinandersetzung mit der Kunst soll die Pegnitz wieder zu einem wahrnehmbaren öffentlichen Raum werden. Die Skulpturen sollen aus Sicht der Künstler Denkanstöße geben.

Nach Fertigstellung des ersten Bauabschnittes bestätigt uns die positive Resonanz, dass die bisher eingesetzten Gelder sinnvoll angelegt sind. Ein weiterer Bauabschnitt im Bereich der Stadt Fürth wird deshalb zügig folgen